Feuilleton online | Wilhelm von Humboldt und die Sprachen der Welt |
12.1.2010 / Anne Schäfer-Junker, Berlin
Wilhelm von Humboldt und die Sprachen der Welt |
|
Noch bis Sonntag, den 17.1.2010 ist die Ausstellung im Alten Museum, Am Lustgarten geöffnet: „Anders zur Welt kommen: Das Humboldt-Forum im Schloss. Ein Werkstattblick“ |
|
Ein Vortragsabend im Dezember 2009 mit Prof. Jürgen Trabant begeisterte zahlreiche Zuhörer so kurz vor Weihnachten, eingeladen vom Verein der Freunde des Ethnologischen Museums. Mitgetragen wurde dieser von der Initiative Humboldt-Forum, deren Vorsitzende Frau Christine von Heinz zur Begrüßung und zum Anliegen der Vorträge sprach. Sie machte deutlich, daß es viele Aspekte der Forschung gibt, die hier zu erörtern sind. Unter anderem geht es darum, die Paradigmen des Humboldtschen Denkens und das Bild, das wir heute von ihm haben, zu hinterfragen. Mit dieser Reihe, die sich bisher Alexander von Humboldt widmete, will die Initiative Humboldt-Forum die öffentliche Debatte um die Entwicklung der Konzeption des Humboldt-Forums am Schlossplatz* befördern. Dies ist der Ort an der Museumsinsel, wo Wilhelm v. Humboldt das Verdienst zukam, Vordenker für die Einrichtung des ersten öffentlichen Museums in Preußen zu sein – das Alte Museum, 1830 eröffnet - . Der deutsche Sprachwissenschaftler Prof. Jürgen Trabant hielt diesen Vortrag in Berlin zu Wilhelm von Humboldts Sprachforschungen gleichfalls mit Blick auf die Debatten um das künftige Humboldt-Forum. Das Denken Wilhelm von Humboldts soll somit in diesem Vortrag umfassender dargestellt und auch an breitere Schichten der Bevölkerung zwischen den Kulturen oder an Menschen die in anderen Kulturen leben, herangetragen werden. Jürgen Trabant, 1942 in Frankfurt a. M. geboren, hatte bis zu seiner Emeritierung einen Lehrstuhl für Romanische Sprachwissenschaft an der Freien Universität Berlin inne und lehrt derzeit an der Jacobs-Universität in Bremen. Jürgen Trabant gibt den sprachwissenschaftlichen Nachlass Wilhelm von Humboldts an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften als Leiter dieser Arbeitsgruppe heraus. Jürgen Trabant ist seit 1987 Mitglied des Forschungszentrums für Historische Anthropolgie der FU Berlin und seit 1992 Gründungsmitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Im August 2008 hat er den "Conrad Naber Chair for European Plurilingualism" der Jacobs University Bremen auf fünf Jahre übernommen. Trabant lehrt und forscht über französische und italienische Sprachwissenschaft, Sprachpolitik, Semiotik, Sprachphilosophie, Geschichte des europäischen Sprachdenkens und historische Anthropologie der Sprache. Ein Schwerpunkt seiner Forschungen ist sein Interesse an den Sprachideen und Lehren von Wilhelm von Humboldt. Sein Vortrag "Wilhelm von Humboldt und die Sprachen der Welt" könnte sicher auch überschrieben werden mit dem Titel „Mit Respekt vor der Sprache jeder Kultur – mit Respekt vor dem Anderen“. Nach einem einleitenden Überblick über die vielen von Humboldt erforschten Sprachen sucht Jürgen Trabant zunächst aufzuzeigen, was es heißt "tief in die Sprachen der Welt einzudringen", wie Alexander von Humboldt die Sprachstudien seines Bruders charakterisiert hatte. Vor allem steigt er tief in die Geheimnisse der Sprachprozesse auf den verschiedenen Kontinenten ein, vor allem dem amerikanischen. So kommt er Wilhelm von Humboldt näher und analysiert dessen Vorstellungen, wie das Sprechen in verschiedenen Wörtern verschiedene Vorstellungen zum Ausdruck bringt. Sein Schluss: andere Kulturen - andere Sprachen, klingt einfach, ist aber historisch-sprachwissenschaftlich in seiner Erschliessung eine Kärnerarbeit. Wilhelm von Humboldt, der wie Herder, den Reichtum der Sprache begründete in der Vielfalt der Operationen des Geistes, sieht Sprache als Odem der Seele, der Nation. Humboldt denkt beispielweise die Verschiedenheit von Sprache in das Kantische System hinein, da ihm bei Kant „Sprache“ merkwürdig absent erscheint. Humboldt nennt die Sprache „das bildende Organ des Gedankens" bzw. "die Arbeit des Geistes“. An Denkweisen der klassischen deutschen Philosophie (Kant, Schlegel) gespiegelt, zieht Humboldt – besonders im vergleichenden Rückblick auf Aristoteles – die unterschiedlichen Schlüsse zu Voraussetzungen von Spracherkenntnis und Sprachbildung bis in seine - die Humboldtsche Zeit. Bei Humboldt verbindet sich der Gedanke synthetisch mit dem Laut: Sprechen ist Hören – das geistige Streben bricht sich Bahn durch die Lippen und so kehrt der „materialisierte“ Laut in das Denken zurück. Das hat für ihn gedanklich zur Folge, daß man auch bei abgeschiedener Lebensweise bzw. in Einsamkeit sprechen muß. Dennoch ist die Sprache in ihrer Erscheinung aber nur zwischen den Menschen, gesellschaftlich wahrnehmbar und entwicklungsfähig und so offenbart Humboldt einen unabänderlichen Dualismus: das Denken braucht den Anderen. Das Denken ist immer in der Dimension des Anderen erst lebendig: Ich – Welt – Du! Sprache ist „Mit-Denken“ – quasi entsteht Sprache als Entsprechung gesellschaftlicher Wechselbeziehungen in geformten Lauten in sprachlich ausgedrückten Gedanken. Für Humboldt ist das in seinen vergleichenden Sprachstudien ein Ausdruck, der wunderbar das sagt, was er meint. Die Dimension des „Du“ ist von Verschiedenheit geprägt. In den Weltansichten findet sich die Produktion sprachlicher Verschiedenheit, die Welt in das Eigentum des Geistes zu verwandeln. Jede Sprache ist anders, denn sie ist ein Anderssein des Denkens. Die Einsicht in verschiedene Sprachen war in Europa zur Zeit der Vorherrschaft des Latein schwierig. Hier begann immer die Polemik gegen das Verschiedene, gegen fremde Sprachen. Ein Wendepunkt setzt erst mit Leibniz ein, dem Begründer der Linguistik, der den Reichtum von Sprache als Vielfalt der Operationen des Geistes begreift. In dieser Tradition stehen Humboldt und Herder. Jürgen Trabant: „Die Sprache ist für Wilhelm von Humboldt “das bildende Organ des Gedanken”, in der Sprache eignet sich der Mensch die Welt denkend an. Sie ist also nicht, wie eine altehrwürdige und triviale Meinung besagt, ein bloßes Mittel zur Mitteilung von schon Gedachtem. Allerdings geschieht die gedankenbildende “Arbeit des Geistes” immer in der Dimension des Anderen, mit Blick auf das Du. Sprache ist also, wie Humboldt einmal sagt, “Mit-Denken”. Ihr wesentliches strukturelles Merkmal ist die Artikulation, eine körperlich-geistige Aktivität, die den Menschen zum Menschen macht. Die von der Natur universell gegebene Aufgabe der “Gedankenbildung” lösen die Menschen historisch-partikular in den vielen Sprachen der Menschheit. Jede Sprache eignet sich die Welt auf je verschiedene Art und Weise an: jede ist nach Humboldts berühmtem Ausdruck eine eigene “Weltansicht”. Zusammengenommen stellen die Sprachen der Menschheit die vielfältigen Arten und Weisen dar, wie der menschliche Geist sich die Welt denkend erarbeitet. Die Vielfalt der Sprachen der Menschheit ist daher auch keine Strafe, sondern ein Reichtum des menschlichen Geistes. Humboldts “vergleichendes Sprachstudium”, sein Projekt der Beschreibung aller Sprachen der Welt, folgt einer Einsicht von Leibniz, der in den Sprachen die wunderbare Vielfalt der Operationen des menschlichen Geistes erkannt hatte.“
|
|
Feuilleton online |